Stress – Kämpfen oder Fliehen (W.-D. Storl)

aus „Wir sind Geschöpfe des Waldes“ von Wolf-Dieter Storl

Hinweis Elli: Ich würde es in einem positiven psychischem Zustand lesen. Die geballte Beschreibung (fand ich) schon herausfordernd, aber wertvoll und wichtig zu wissen.

Eigentlich leben wir im Schlaraffenland. Wir wohnen recht komfortabel und haben so viel zu essen, dass – in der westlichen Welt – die Hälfte der Nahrungmittel im Müll landet. Und dennoch sind wir Spannungen ausgesetzt, auf die wir in unserer Entwicklungsgeschichte nicht vorbereitet wurden: Nachtsverkehrsgeräusche und ferne Sirenen, die den Schlaf stören; Elektrosmog und elektromagnetische Felder (mobile Telefone, TETRA-Behörden-funk, WLAN, 5G-Netz u.s.w.) die unsere Körperzellen belasten; grelle Straßenbeleuchtung, die dem Organismus signalisiert, dass es ewig Vollmond ist, und die Zirbeldrüse (Melatonin-Produktion, Schlaf-Wach-Rhytmus) in Bedrängnis bringt.

Oft weckt uns der Wecker, ohne dass wir richtig ausgeschlafen sind, schlucken ein zuckerreiches Frühstück und Kaffee herunter, um in Gang zu kommen, um dann auf dem Weg zum Job im Stau zu stehen. Es folgen Frust und Mobbing am Arbeitsplatz und eine weiterer Stau auf dem Heimweg.

Zum Abspannen genehmigt man sich dann etwas Alkoholisches und taucht ins Bildschirmgeflacker ein, mit Bildern von Totschlag und Gewalt, die den Blutdruck steigen lassen. Vielleicht wird dieser fatale Brei auch noch durch Termindruck, Versagensängste oder eine gestörte Partnerschaft gewürzt.

Ein solches Leben hält das uralte Reptilienhirn, das Erbe unserer evolutionären Vorfahren, in ständiger Alarmbereitschaft. Wenn derartige Spannungen über längere Zeiträume anhalten, ohne daß richtige Entspannung möglich ist, dann kommt es zum Selye-Syndrom oder AAS (Allgemeines Anpassungssyndrom) oder, wie wir es in der Alltagssprache nennen, zu Stress.

Dann ist unser vegetatives Nervensystem überfordert und der Sympathikus befindet sich im Dauereinsatz. Das vegetative oder autonome Nervensystem heißt so, weil es autonom reagiert, es lässt sich nicht mit dem Willen beeinflußen – es sei denn, man ist ein Meister des Yogas, aber das sind die wenigsten von uns. Dieses vegetative Nervensystem besteht aus Sympathikus und Parasympathikus. Der eine bereitet uns in Situationen, die unser archaisches Reptilienhirn als Gefahr wahrnimmt, auf Flucht oder auf Kampf vor.

Der andere – der Parasympathikus, hilft uns zu entspannen, wenn die Gefahr vorbei und die Flucht gelungen ist oder der Kampf erfolgreich beendet wurde. Der eine regt an, der andere regt ab und lässt uns zur Ruhe kommen, ermöglicht eine gute Verdauung.

Schauen wir uns die sympathetische Reaktion an. Wie verläuft diese Kampf-Flucht-Reaktion ? Was passiert im Körper ?

Die Muskeln verspannen ebenso wie Venen, die bei anhaltender Spannung Risse bekommen können; der Körper versucht diese mit Cholesterin-Plaques zu flicken.

Die Pupillen erweitern sich („Vor Wut kaum sehen können“)

Der Mund wird trocken („Es bleibt einem die Spucke weg“) Der Verdauungsvorgang wird aufs Abstellgleis geschoben; die Magen-Darm-Aktivität und die der Bauchspeicheldrüse werden gehemmt. Der Sphinkter (Schließmuskel) wird verschlossen, sodass es zur Verstopfung kommt. Daher der Wiener Ausdruck „Gehn’s scheißn !“ für: „Entspannen Sie sich !“

Es schnürt einem die Kehle zu.

Die übergeordnete Hirnanhangdrüse (Hypophyse) aktiviert das endokrine Hormonsystem und stimuliert die Stress- und Aggressionshormone, Adrenalin und Noradrenalin.

Rücken und Nacken verspannen, die Haare stehen einem zu Berge (wie bei ängstlichen Tieren, Hunden oder Katzen, sträuben sich die Nackenhaare) und Schauer laufen einem über den Rücken

Die Bronchien erweitern sich, es kommt zu schneller und flacher Atmung, um dem Gewebe rasch Sauerstoff zuzuführen.

Der Kreislauf wird hochgefahren, der Herzschlag beschleunigt sich (Herzjagen); Blutdruck und Puls steigen.

Zwecks Energiezufuhr wird Zucker ins Blut gepumpt.

Man wird blass, weil sich das Blut von der Hautoberfläche zurückzieht, um bei einer eventuellen Verwundung den Blutverlust zu verringern. Die Füße werden kalt.

Man zittert und schwitzt kalten Schweiß (Angstschweiß)

Das Zwerchfell verkrampft sich.

Vorübergehende Anspannung ist nicht schädlich. Wir sind evolutionsbiologisch darauf eingerichtet. Schädlich wird es dann, wenn Stress und Reizüberflutung anhalten und wir kaum Ruhe und Entspannung finden. Dann kann es zu chronischer Schlaflosigkeit kommen; das Stresshormon Cortisol hemmt Melatonin.

Anhaltender Stress lässt das Blut überzuckern und ist ein Faktor für die Auslösung von Diabetes; chronische Muskelverspannung begünstigt muskuläre Atrophie; hoher Blutdruck und Herzrasen führt zu chronischen Herzleiden. Herz-Kreislauf-Versagen, heute die Haupttodesursache (Anmerkung Elli: auch in Corona-Zeit: interessante Einblicke über statista) in der urbanen, technologisierten Welt, war einst fast unbekannt.

Da das vegetative Nervensystem die Funktion fast aller Organe steuert, kann man vermuten, daß die meisten heutigen Krankheiten auf Stress zurückzuführen sind.

Da bietet der Wald Hilfe an !

Bildquelle: Pinterest

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