Der August ist der heißeste Monat des Jahres. Diese Hochsommertage sind die beste Zeit, heilkräftige Kräuter zu sammeln. Denn um ätherische Öle und andere kraftvolle Wirkstoffe zu bilden, brauchen die Kräuter heißes, trockenes Wetter und viel Sonnenlicht. Aus diesem Grund, übrigens, bringen die mediterranen Landschaften, wie die Provence, so viele aromatische Heilpflanzen – Thymian, Lavendel Salbei, Rosmarin – hervor.
Es ist also auch kein Zufall, dass in Nordwesteuropa das wichtigste Fest der Kräuterfrauen, die Kräuterweihe (Würzweih, Büschelfrauentag) in die Mitte des heißen Erntemonats fällt, und zwar auf den 15. August. An diesem Tag, so glaubten die Christen, hätte Maria die Erde verlassen und sei in den Himmel gefahren; ihre Segens- und Heilkraft hätte sie in Form von Heilkräutern hinterlassen.
An diesem „Großfrauentag“ seien die Kräuter besonders heilkräftig. Es sind Pflanzen, die als Tee, Abkochung, Salbe oder Umschlag nicht nur gegen diese oder jene spezifische körperliche Beschwerde oder Krankheit zum Einsatz kommen, sondern auch Zauberpflanzen und Räucherkräuter, die gegen Gewitter und Behexung verwendet wurden, oder solche, die die Liebeslust der Männer anregen. Früh am Morgen holten die Frauen diese Pflanzen, pflückten sie von Hand, ohne metallene Messer zu benutzen, und ohne dabei zu reden.
In früheren Zeiten war das Kräutersammelfest kein leeres Ritual. Die Würzweihkräuter waren – neben den zur Sommersonnwende gesammelten „Johanniskräutern“ – die praktische Apotheke für Haus und Stall. Nach der Weihung wurden die Kräuter auf den Dachboden zum Trocknen aufgehängt. Einige kamen in den „Herrgottswinkel“ in der Nordostecke der Stube, dem Hausaltar mit Kruzifix oder Heiligengestalt. Dort würde ihre Heilkraft noch weiter potenziert. Einige der Kräuter wurden dem Vieh ins Futter getan oder dem Saatgetreide beigemischt; einige der heiligen Pflanzen tat man sogar den Toten mit in den Sarg; gegen Hagelschlag und Feuerbrunst hängte man wiederum andere unter dem Dachfirst.
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Quelle: Aus dem Buch von Wolf-Dieter Storl „Unsere grüne Kraft“
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